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Ausgabe 12/99   Seite 14ff

Im Oktober legte der Bundesrechungshof (BRH) seinen Jahresbericht 1999 vor. In rund 100 Einzelbeiträgen, den sogenannten Bemerkungen, berichtet der BRH alljährlich von exemplarischen Verschwendungsfällen, die finanzwirtschaftlich oder für die Gesetzgebung bedeutsam sind. Alleine 1999 stellte der BRH Möglichkeiten zur Entlastung des Bundeshaushaltes von mehreren hundert Millionen DM fest. Wie jedes Jahr stellen die Prüfer und Prüferinnen auch bei der Bundeswehr eklatante Fehler in der Wirtschaftsweise, bei der Lagerung von Wehrmaterial und bei der Beschaffung von Rüstungsgütern fest. Der BRH fordert das Bundesministerium der Verteidigung in einer Presseerklärung "dringend" auf, die "Steuerungsprozesse" zu verbessern.(1) Neben dem Jahresbericht des Bundesrechungshofes geben zusätzlich die "Ergebnisberichte" Aufschluß über die Unfähigkeiten der Truppe.(2)

Der Jahresbericht des Bundesrechungshof 1999 zur Bundeswehr

Unfähigkeit, Unwirtschaftlichkeit und Verschwendung

Der BRH bemängelt bei der Bundeswehr vor allem den Umgang mit überschüssigen Wehrmaterialbeständen und das Verfahren bei Rüstungsvorhaben. Insbesondere beim Heereskontingent IFOR/SFOR in Bosnien-Herzegowina kam es zu Mehraufwendungen und Einnahmeverlusten. Auch durch längst ausgemusterte Waffensysteme fallen immer noch erhebliche Kosten an. Insgesamt führt der Jahresbericht exemplarisch fünfzehn bedeutende Fälle (Nr. 57-71) von Mißwirtschaft an, die durch Prüfungen des BRH 1999 entdeckt wurden. Im Einzelnen betraf dies folgendes:

Zusammenlegung der Standortverwaltungen Kastellaun und Idar-Oberstein. Der BRH teilte dem Bundestag mehrfach mit, dass durch die Auflösung und Zusammenlegung der Standortverwaltung Kastellaun ca. 2 Mio. DM in der Verwaltung ohne Qualitätsverluste eingespart werden könnten. Das BMVg will den Empfehlungen des BRH jedoch bislang nicht folgen, u.a. mit dem Hinweis, man müsse erst die Ergebnisse der Kommission "Zukunft der Bundeswehr" abwarten (S. 376).

Informationstechnik-Netze der Bundeswehr. Bei der Planung, Erstellung und beim Betrieb von IT-Netzen entstand "statt einer einheitlichen Netzstruktur (...) eine Vielzahl unwirtschaftlicher Insellösungen (...)". (S. 378) Bislang wurden für Datennetze mehrere hundert Millionen DM (jährlich 10 Mio. DM) ausgegeben, um die Wirtschaftlichkeit insbesondere der Verwaltung zu steigern. Genau das Gegenteil wurde somit laut BRH erreicht. Nicht einmal die Beschaffung von Computern kann, weil über den ganzen Verteidigungshaushalt verteilt, überblickt werden. Ebenso bemängelt der BRH die wirtschaftliche Nutzung der Fernmeldeanlagen und stellt Mängel bei der IT-Sicherheit fest und schlägt ein IT-Strategiekonzept vor. (S. 379) Das BMVg will zunächst "Erfahrungen" (S.381) sammeln und dann 2001 Konsequenzen ziehen.

Bedarfsermittlung von Frachtcontainern. Die Übernahme von 1400 Containern der NVA zum Transport von Stückgut, bereitete der Bundeswehr (eigener Bestand vor der Wende 130 Stück) offensichtlich große Schwierigkeiten. Zum Teil waren die Container defekt, gar nicht zugelassen, an ungünstigen Standorten (die für zum Teil für 3 Mio. neu gebaut wurden) aufgestellt oder ohne günstigere Alternativen betrieben. Zudem war die interne Ermittlung des Bedarfs überhöht ("operatives Minimum" 2500 Stück). (S.384) Deshalb wurde zeitweilig der nicht benötigte Zusatzbedarf mit rund 600 Mietcontainern gedeckt. (S.383)

Vergabe von Transportleistungen an zivile Speditionen. Das Transportwesen (jährl. 2 Mrd. DM) ist wesentlicher Bestandteil der Logistik und eine wesentliche Aufgabe der Bundeswehr. Da die Bundeswehr trotz Heer, Luftwaffe und Marine nicht immer in der Lage ist diese Aufgabe zu erfüllen, werden mit privaten Speditionen Verträge vereinbart. (S.388) Dem Bund entstanden dadurch vermeidbare Mehrausgaben in Millionenhöhe.

Versorgungsleistungen für IFOR/SFOR. Der BRH stellte fest, dass bei der Truppe in Bosnien-Herzegowina gegen das Haushaltsrecht verstoßen wurde. (S.394) Insbesondere bemängelte der BRH die Haushaltszuweisungen, die Bargeldversorgung, die dezentrale Beschaffung, die Verpflegungswirtschaft und die Führung der Betreuungseinrichtungen. Die von der Truppe selbst bewirtschafteten Betreuungseinrichtungen führten durch erhöhte Preise zu "erheblichen Gewinnen", die wiederum für Bedienungspersonal, Einrichtungsgegenstände und Souvenirs ausgegeben wurde. (S.396) Wie schon beim Somalia-Einsatz bemängelte der BRH, dass Bestimmungen bei der Beschaffung von Material nicht eingehalten wurden. Die Geldversorgung wurde mit erheblichem Personalaufwand geführt. Vierzehntägig erfolgte die Bargeldversorgung im Einsatzgebiet durch bewachte Geldkuriere aus der Heimat. Dies führte laut BRH zu hohen Barbeständen in der Feldkasse. (S.395)

Behandlung ziviler Patienten in Bosnien. Das seit 1995 im Rahmen der UNO Mission in Bosnien stationierte Feldlazarett hatte bis 1998 15 000 Behandlungsfälle von Zivilpersonen (Journalisten, Touristen, NGO-Mitarbeiter und Einheimische) nicht abgerechnet. Dadurch sind Einnahmeausfälle von vier Mio. DM entstanden. (S.440) Der BRH bemängelt die schleppende Abrechnung und forderte, daß Patienten vor dem Verlassen des Feldlagers die Pauschale zu entrichten haben.

Wechselladersystem "MULTI"(3). Eine Prüfung des BRH ergab, dass wegen unzureichender Erprobung das Ladesystem bis heute noch nicht einsetzbar ist. Es entstanden dadurch Mehrkosten von 12. Mio. DM. (S.399) Für die Beschaffung des Systems sind bis 2015 insgesamt 1,5 Mrd. DM vorgesehen.

Verwertung des "Alpha Jet". Die 160 Kampfflugzeuge wurde 1992 stillgelegt. Einige Maschinen wurden an Portugal verkauft, der Rest in einem Fliegerhorst untergebracht und eingemottet. Dennoch kostet die Lagerung und Stillwartung 6000 DM pro Tag und die Verkaufschancen verschlechtern sich von Tag zu Tag. Die erwartete Erlössumme von 6 Mio. ist mittlerweile auf 25-50 000 DM pro Flugzeug gesunken. (S.407)(4)

Verwertung des "F-104 Starfighter". Seit den 70er Jahre schrittweise aus dem Betrieb genommen, kostet der "Starfighter" heute noch Geld. Vermeidbare Verzögerungen, mangelhafte Bestandsführungen, Versäumnisse bei der Formulierung und Durchsetzung vertraglicher Vereinbarungen mit der Verwertungsfirma führten dazu, dass verwendbare Ersatzteile im Wert von 1,3 Mrd. DM nicht einmal mehr als 5 Mio. DM erzielten. (S.434) Der Verkauf an eine amerikanische Verwertungsgesellschaft für 15 Mio. DM platzte durch nachträgliche Aufnahme einer Klausel zum Verbot des Weiterexportes an Nicht-NATO Staaten. Die Firma zog daraufhin ihr Angebot zurück. Den Zuschlag erhielt die einzig verbleibende, deutsche Firma, die nun jedoch nur noch 5 Mio. DM bot. Wegen Mängeln, falscher Kennzeichnung und fehlenden Teilen, die vom Ministerium jedoch nicht geprüft worden sind, senkte die Firma den Preis noch einmal auf 2,8 Mio. DM. (S.437)

Überzähliges Material in den wehrtechnischen Dienststellen. Trotz Aufgaben- und Personalreduzierung und Vorgaben aus dem Verteidigungsministerium kam es bei den wehrtechnischen Dienststellen nicht zu einer Verringerung ihrer Materialausstattung. Die Stellen hatten darüber hinaus Schwierigkeiten "überzähliges Gerät und Material" zu erkennen. (S.423) Die Aussonderung und der Verkauf des überschüssigen Materials unterblieb.

Finanzierung der U-212 Tauchtiefenvergrößerung. Im Rahmen der Rüstungskooperation erwarb für 63,3 Mio. DM eine italienische Werft die Herstellungsunterlagen von einem deutschen Werftenkonsortium und dem Bundesamt für Wehrtechnik, wobei die italienische Marine aus operativen Gründen auf einer Vergrößerung der Tauchtiefe bestand. Weil das BMVg den Erwerb umsatzsteuerfrei behandelte, entstanden Differenzen von 8,3 Mio. DM zu Lasten des Verteidigungshaushaltes. (S.442)

Bevorratung der Marine. Die Bundesmarine hortet nach Angaben des BRH überschüssiges Material in ihren Depots mit einem Beschaffungswert von über 500 Mio. DM. (S.447) Darüber hinaus nutzt die Marine über die genehmigte Ausstattung hinaus Güter im Wert von 136 Mio. DM. Durch Lagerkosten und fehlende Erlöse entstehen unnötige Kosten in zweistelliger Höhe. (S.447)

Der BRH unterrichtet das Parlament und das Verteidigungsministerium laufend über Mißwirtschaft in der Truppe. Konsequenzen werden jedoch selten gezogen. Die Antworten des BMVg reichen von Gegenargumenten bis hin zum reumütigen Eingeständnis der Fehler und Gelobung der Besserung. Einen Erfolg konnte das BMVg vorweisen. Seit ein paar Jahren sieht sich die Bundeswehr als grüne umweltschonende Truppe, auf deren Übungsplätzen seltene Tier- und Pflanzenarten leben. Daher kam es ungelegen, daß der BRH die Verwendung und Entsorgung von Einwegputztüchern für die Reinigungs-, Pfelge- und Instanthaltungsarbeiten im Wert von 10 Mio. DM kritisierte. Auf Empfehlung des BRH wurde die bereits eingeleitete Beschaffung weiterer Putztücher um 3 Mio. DM verringert.(5) omz

Anmerkungen
(1) Bundesrechungshof. Pressemitteilung, 12.10.99
(2) Bundesrechungshof, "Jahresbericht 1999 - Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes"; Bundesrechungshof, "Ergebnisbericht 1999 - Folgerungen aus den Bemerkungen 1997". Im Internet beide als Volltext erhältlich. http://www.bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen.html
(3) Das System "MULTI" besteht aus einem Lkw-Fahrgestell, das mit einer Einrichtung versehen ist, die das schnelle Absetzten und Wiederaufnehmen von Wechselladerpritschen erlaubt. Es soll dem Transport von Artilleriemunition, palettierten Versorgungsgütern aller Art oder Containern dienen. (S.399)
(4) Vgl. ami 12/99, S. 21ff
(5) BRH, "Ergebnisbericht 1999", S.98.
 

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