In Großbritannien hatte sich seit
der Machtübernahme der Labour-Partei im Mai 1997 außenpolitisch
einiges getan. Zumindest in der Grundsatzrede von Außenminister Robin
Cook und dem Wahlmanifest der Labour Partei von 1997 schien der Dritte
Weg noch schnellstmöglich in Richtung Weltfrieden zu gehen.(1)
Nicht nur eine neue "ethische Dimension der britischen Außenpolitik"
(Cook) sollte es geben, sondern es wurde eingefordert, "Großbritannien
wieder zur Kraft für das Gute in der Welt zu machen",(2)
um britische Werte jenseits von reinen Machtstaatsgedanken wieder in die
ganze Welt zu exportieren.
Rüstungsexporte
Die "ethische Dimension"
der britischen Außenpolitik hat ausgedient
Alles neu in der
britischen Außenpolitik?
In seiner vielzitierten Rede legte Cook mit
vier außenpolitischen Zielen den Grundstein für einen langerwarteten
Politikwechsel der Labour-Partei nach den Jahren konservativer Regierungspolitik.
Neben den obligatorischen Bekenntnissen zur nationalen Sicherheit und Wohlfahrt
der britischen Bevölkerung sowie zur Integration in die NATO-Struktur
wurde in der Erklärung auch ein Bekenntnis zur Stärkung der Rüstungskontrolle
und Abrüstungspolitik sowie zur Nichtverbreitung von Kernwaffen abgelegt.
Das genuin neue Element der außenpolitischen Leitlinie war aber die
explizite Stärkung der internationalen Menschenrechtspolitik Großbritanniens
und die Erhöhung des britischen Beitrags zur internationalen Wahrung
des Friedens und zur Demokratisierung: "Die britische Außenpolitik
muß eine ethische Dimension haben und sie muß die Forderungen
anderer Völker nach demokratischen Rechten unterstützen, auf
denen wir für uns selbst bestehen."(3)
Nur Rhetorik? -
Der Konflikt um Zimbabwe
Die aktuellen Rüstungsexporte Großbritanniens
stehen allerdings im Gegensatz zur postulierten ethischen Kehrtwende der
Außenpolitik: Im 1998er Bericht über die britischen Waffenexporte
werden über 10.000 erteilte Exportlizenzen aufgelistet, die zusammengenommen
Großbritannien als zweitgrößten Waffenexporteur der Welt
ausweisen.(4) So heißt
es im Wahl-Manifest der Labour-Partei auch vielversprechend, daß
"Labour eine starke britische Rüstungsindustrie unterstützt,
die strategischer Teil sowohl unserer Industrie als auch unserer Verteidigung
ist."(5) - Das "ethische
Zeitalter" ist so auch endgültig den lukrativen Waffenexporten in
die diversen Krisenregionen der Welt zum Opfer gefallen: Trotz des angestrebten
Waffenembargos gegen diejenigen Staaten, in denen die britischen Waffen
möglicherweise zu interner Repression oder externer Aggression genutzt
werden könnten,(6)
lieferten die Briten in den letzten Jahren unter anderem Waffen und Ersatzteile
nach Zimbabwe und Indonesien. Im Januar war die Rüstungsexportpolitik
der Labourpartei in die Kritik geraten, nachdem mehrfach vertrauliche Dokumente
des Außenministeriums (Foreign Office) in die Presse gelangt waren.(7)
Begonnen hatte die Auseinandersetzung mit der umstrittenen Lieferung von
Hawk-Ersatzteilen nach Zimbabwe,(8)
das tief in den kongolesischen Bürgerkrieg verstrickt ist. Trotz der
außenpolitischen Leitlinie, keine Waffen in ein von Krieg betroffenes
Gebiet zu liefern, gab Tony Blair gegen den Willen seines Außenministers
grünes Licht für den Export. Die zehn BAe Hawk MK60 Zimbabwes
stammen noch aus Thatchers Zeiten. Heute ist der Staat hochverschuldet
und unfähig, auch nur seine Schuldendienste zu leisten; wirtschaftlicher
Gewinn ist also durch den Export von Rüstungsgütern in diese
Region nicht zu erwarten. Vielmehr geht es der britischen Regierung darum,
Zuverlässigkeit beim Export zu beweisen, um die britische Rüstungsindustrie
nicht zu gefährden. Blair hatte mit der Zustimmung des Verteidigungsministeriums
sowie des Außenhandelsministeriums aber gegen den Widerstand des
Entwicklungsministeriums und des Foreign Office die Ersatzteillieferung
schließlich zugelassen. Britische Verteidigungsexperten gehen davon
aus, daß die Lobbyarbeit der Rüstungsindustrie diese Entscheidung
Blairs stark beeinflußt hat.(9)
Die britische Rüstungsindustrie wird von BAe-Systems dominiert, die
unter anderem für die Produktion der Hawk-Jets verantwortlich sind.
Indonesien - britische
Waffenlieferungen mit Tradition
Auch die Exporte von Hawk-Jets nach Indonesien
erregten in den letzten Wochen die öffentliche Meinung: Großbritannien
ist Indonesiens wichtigster Waffenlieferant und es gibt eine lange Tradition
von Waffenexporten in die südostasiatische Krisenregion: Seit 1978
exportiert British Aerospace Hawks nach Indonesien,(10)
die letzten Exportlizenzen wurden am 22.11.1996 für sechzehn Hawk-209
im Wert von £300 Millionen vergeben. Die Hawk Jets der 200er-Reihe
sind nach Angaben von British Aerospace einsitzige, leichte, vielfältig
einsetzbare Kampfflugzeuge, die eine inzwischen verbesserte Fähigkeit
zum Bodenangriff haben. Mit diesen Spezifikationen können die Hawks
nach Angaben von Amnesty International und Campaign Against Arms Trade
(CAAT) durchaus zur Aufstandsbekämpfung in Ost-Timor eingesetzt werden.(11)
Zugelassen wurde die Lizenzierung der Exporte damals, da sie "vermutlich
nicht für Zwecke der inneren Repression eingesetzt werden würden."(12)
So lautete jedenfalls die Begründung der konservativen Regierung,
obwohl das indonesische Regime seit 1975 die ehemalige portugiesische Provinz
Ost-Timor besetzt hält und dort seit Jahrzehnten schwerster Menschenrechtsverletzungen
für schuldig befunden wird. Die Labour-Partei hatte genau diese Situation
der potentiellen Unterstützung von Menschenrechtsverletzungen aufkündigen
wollen: Noch im August 1997 legte Cook die Leitlinien der britischen Indonesien-Politik
fest: Neben der Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indonesien
und England stand die Förderung des Menschenrechtsschutzes an erster
Stelle. Unterdessen hat sich der Verdacht erhärtet, daß britische
Rüstungsgüter tatsächlich als Repressionsmittel gegen die
timoresische Bevölkerung eingesetzt wurden;(13)
so sagte jedenfalls Cook in einem Interview, daß "es leider der Fall
zu sein scheint, daß einige der Ausrüstungsgegenstände,
die zur Aufstandsbekämpfung in Ost-Timor eingesetzt wurden, tatsächlich
aus Großbritannien stammen."(14)
Allerdings hat die britische Regierung bis heute keine Anstalten gemacht,
die Exportlizenzen der Hawks für Indonesien zurückzuziehen. Vielmehr
wurden die Lieferungen der 1996 abgeschlossenen Verträge im letzten
Jahr solange durchgeführt, bis im September 1999 ein EU-Waffenembargo
wegen der Bürgerkriegssituation in Ost-Timor gegen Indonesien ausgesprochen
wurde. Dieses Embargo ist allerdings am 17.1.2000 ausgelaufen.(15)
Die Exportpolitik
Großbritanniens
Über 40% der britischen Rüstungsproduktion
wird exportiert; im Jahr 1998 lagen die britischen Rüstungsexporte
bei 9 Mrd. US-Dollar. In der innenpolitischen Landschaft Großbritanniens
ist aber sowohl die Politik der Exportlizenzierung des Außenhandelsministeriums
(Department of Trade and Industry /DTI) als auch die Vergabe von Exportkrediten
dafür hoch umstritten. Während das Verteidigungsministerium unter
Geoff Hoon zusammen mit dem DTI die britischen Rüstungsexporte als
notwendig für Wirtschaft und Rüstungsindustrie ansehen, ist die
Ministerin für Internationale Entwicklung zusammen mit dem Umwelt-
und Verkehrsministerium auf der anderen Seite des Grabens anzusiedeln,
der die Labour-Regierung spaltet.(16)
Die britische Regierung hat laut AI-Berichten keine Möglichkeit, die
Verwendung der von ihr exportierten Waffen zu kontrollieren. Das DTI informiert
das britische Parlament weiterhin mit - nach eigenen Aussagen - unzuverlässigen
und kursorischen Angaben über die Weiterverwendung der Exporte.(17)
Die Exportlizenzen für "strategische Güter" werden durch die
Export Control Agency der Regierung ausgestellt, die wiederum Teil des
in den letzten Wochen vermehrt in die öffentliche Kritik geratenen
DTI ist. Die Entscheidung für oder gegen eine Lizenzvergabe ist abhängig
von den jeweils gültigen Exportbestimmungen (notes for exporters)(18)
sowie - ähnlich wie im deutschen Bundessicherheitsrat - einer Bewilligung
der betroffenen Ministerien. Die Deckung der Exporte funktioniert wie das
deutsche Prinzip der Hermesbürgschaften, nach dem die Exportkreditgarantien
der Regierung als Versicherung der Exporteure dienen. Die Regierung garantiert
mit einem solchen Exportkredit, daß sie dem Exporteur für nicht
geleistete Zahlungen aus dem Ausland Kompensation leisten wird. Im Jahr
1998 wurden mehr als 50% der insgesamt erteilten britischen Exportgarantien
für Rüstungslieferungen ausgesprochen.(19)
Im Januar diesen Jahres hat Schatzmeister Gordon Brown als ersten Schritt
einer Reform der Exportgarantien die Deckung von Waffenverkäufen in
die 63 ärmsten Staaten der Welt über Exportgarantien verboten.
Keiner dieser Staaten ist jedoch Großabnehmer britischer Waffen.(20)
Laut CAAT wäre es für die britische Regierung möglich, bereits
erteilte Exportlizenzen zu widerrufen. So wurden bereits im September 1997
zwei kleinere Rüstungsaufträge an Indonesien von Robin Cook blockiert,
die zusammen einen Wert von £1 Mio. hatten.(21)
Laut Artikel 7 Abs. 1 der Export of Goods (Control) Order von 1994 kann
eine Exportlizenz vom Außenminister jederzeit verändert oder
widerrufen werden. Laut dem zuständigen DTI gibt es für Kompensationsforderungen
der betroffenen Industrien keine rechtliche Basis. Von der Möglichkeit,
die Exportlizenzen zu widerrufen oder Exportkredite auszusetzen, wird in
der britischen Politik zur Zeit aber kein Gebrauch gemacht.
Alles bleibt beim
Alten?
Wichtigstes Ziel einer "ethischen Außenpolitik"
sollte es sein, die geforderten internationalen Menschenrechtsstandards
den eigenen wirtschaftlichen Interessen überzuordnen. Genau in diesem
Feld hat allerdings die britische Politik versagt. Der politische Druck
der Rüstungsexporteure auf die Regierung war wohl wieder einmal stärker
als die beschworenen hehren Ziele der Außenpolitik; das Interesse
an der britischen Wirtschaft im nationalen Interesse höher als das
an Menschenrechtspolitik. "Großbritannien wieder als Kraft für
das Gute in der Welt" zu sehen, macht zwar als Wahlversprechen viel her,
ist aber - anscheinend mitunter gegen den Willen des Erfinders(22)
- an der politischen Realität gescheitert. Selbst Cook hat inzwischen
in der Nachfolge seiner außenpolitischen Grundsatzrede von 1997 einen
rhetorischen Rückzieher hinter seine ehemalige Position gemacht:(23)
"Die britische Außenpolitik muß von einem aufgeklärten
Eigeninteresse getragen werden", erklärte der Außenminister
am 28. Januar 2000 ohne jeglichen Verweis auf die "ethische Dimension"
dieses Eigeninteresses. Wenn die britische Regierung die Exportlizenzen
für die Hawk-Jets und Ersatzteile zurückgezogen bzw. nicht erteilt
hätte, wäre dies das deutliche Signal gegenüber den rüstungsimportierenden
Staaten gewesen, daß Großbritannien seine außenpolitischen
Leitlinien tatsächlich ernst meint. So aber hat Blair es nicht auf
den Konflikt mit der britischen Rüstungsindustrie und den ausländischen
Käufern ankommen lassen, um einen als wichtig angesehenen Wirtschaftszweig
der Briten nicht zu gefährden. Es ist klar, wo in der britischen Politik
die Prioritäten liegen und viel anderes war wohl von vornherein nicht
zu erwarten. us
Anmerkungen:
(1) http://www.newsunlimited.co.uk/ethical;
(2) Cook, Robin: Rede am 12.5.1997, http://www.fco.gov.uk.
(3) ebenda.
(4) Guardian 12.1.00
(5) http://www.ge97.com/manifest
(6) "Labour will not permit the sale of
arms to regimes that might use them for internal repression or international
aggression. We will increase the transparency and accountability of decisions
on export licences for arms." Labour manifesto 1997 a.a.O.
(7) vgl. Guardian 20.1.00 / 26.1.00.
(8) Hawk-Jets sind Erdkampfunterstützungs-
und Ausbildungsflugzeuge, dem deutschen Alpha-Jet vergleichbar.
(9) vgl. Guardian 20.1.00.
(10) http://www.bae.co.uk
(11) http://www.caat.demon.co.uk
(12) vgl. campaign against the armstrade.
http://www.caat.demon.co.uk
(13) Nach CAAT-Informationen wurden 1998
Alvis-Panzer gegen Demonstranten in Jakarta eingesetzt, im Januar 1999
wurden gepanzerte Saladin-Fahrzeuge in Ost-Timor gesehen.
(14) BBC Radio, 25. Januar 1999.
(15) vgl. CAAT-Newsletter, January 2000,
http://www.caat.demon.co.uk
(16) Guardian 26.1.00
(17) http://www.amnesty.org/pressreleases/23_september_1999-1.shtml
(18) http://www.dti.gov.uk/export.control
(19) ebenda.
(20) Großabnehmer sind Indonesien,
Saudi Arabien, Türkei, China, Bahrain und Algerien.
(21) nach CAAT, a.a.O: Courtaulds Aerospace:
sechs gepanzerte Landrover sowie Scharfschützengewehre.
(22) Robin Cook, der sich in den letzten
Wochen mit seinen Forderungen bei Blair, DTI und MoD nicht durchsetzen
konnte.
(23) Guardian, 28.1.2000