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Ausgabe 7/99 Themenheft: Kosovo-Krieg   Seite 139ff

Auch in den Publikationen der extremen Rechten ist der erste Krieg nach 1945, bei dem sich deutsche Soldaten auch direkt an Kampfhandlungen beteiligen, ein zentrales Thema der letzten Monate. Waren deutsche Neonazis vor einigen Jahren noch auf kroatischer Seite als Söldner tätig, so hätte man nun erwarten können, daß sich die extreme Rechte erneut auf die Seite der Gegner Jugoslawiens bzw. Serbiens stellt - sich also etwa mit der Kosovo-Untergrundarmee UCK liiert, ist diese doch - folgt man der Ideologie der extremen Rechten - ein Musterbeispiel einer 'befreiungsnationalistischen' Bewegung.

"Deutsch wählen heißt Frieden wählen"

Die extreme Rechte und der Krieg gegen Jugoslawien

Die große Mehrheit der Gruppen und Organisationen der extremen Rechten lehnt den NATO-Krieg aber entschieden ab. Und zwar mit Formulierungen und Äußerungen, die teilweise denen der Friedens- und Antikriegsgruppen sehr ähnlich erscheinen. So schrieb etwa die Deutsche Wochen-Zeitung, die der DVU nahesteht, kurz nach Beginn der NATO-Bombardierungen unter der Überschrift: "Warum die Bundeswehr im Kosovo nichts zu suchen hat - Bonn bricht die Gesetze": "Denn wenn deutsche Kampfflugzeuge und Panzer jetzt auf dem Balkan an der Seite amerikanischer, britischer und französischer Truppenteile das Feuer eröffnen, geschieht dies ohne Mandat der Vereinten Nationen. Die gesamte Militäraktion ist eine reine NATO-Veranstaltung; und sie dient auch nicht der Abwehr eines Angriffs auf ein Mitgliedsland."(1) Anhänger der extrem rechten Deutschland-Bewegung(2) des früheren Bundeswehr-Obersten Alfred Mechtersheimer beteiligten sich an Friedensdemonstrationen u.a. mit Parolen wie "Keine NATO-Bomben auf Serbien" oder "Keine fremden Truppen in Deutschland - Keine deutschen Truppen im Ausland". Vom Präsidium der NPD war ein Appell an alle "deutschen Soldaten und Beamten" zu vernehmen, dem "Amtseid auf das Grundgesetz treu" zu bleiben und die Mitwirkung "am Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien" zu verweigern.(3) Und Neonazis aus verschiedenen europäischen Staaten riefen anläßlich des 50-jährigen Gründungstages der NATO gar zu einer Anti-NATO-Demonstration vor deren Hauptquartier in Brüssel auf.

Solches Auftreten mutet seltsam an und will nicht so recht zum Bild der extremen Rechten passen, zu dem Uniformen, Kriegsbegeisterung, Heldentum und Militärverherrlichung assoziiert werden. Es bedarf einer genaueren Analyse der Begründungszusammenhänge, um entschlüsseln zu können, daß dies keinen Widerspruch darstellt und es die Anti-Kriegs-Rhetorik der extremen Rechten keineswegs zum Ziel hat, Gewalt und Gewaltstrukturen aus der Welt zu schaffen. Die Ablehnung dieses NATO-Krieges gegen Jugoslawien stützt sich auf drei zentrale, miteinander verbundene Ideologeme der extremen Rechten: den Antiamerikanismus, den Rassismus und die Geopolitik.

Im Vordergrund: Antiamerikanismus

Liest man die Stellungnahmen der extremen Rechten zum Krieg, so fällt zunächst eine scharfe Abgrenzung gegenüber den USA und der NATO auf, wobei die NATO grundsätzlich als Instrument der USA gesehen wird, deren Zweck es immer gewesen sei, den eigenständigen außenpolitischen Handlungsspielraum Deutschlands einzuschränken. Die Bundesregierung und ihre Angehörigen werden demzufolge als "servile Erfüllungsgehilfen der USA"(4), als "Bonner Abenteuerer und Steigbügelhalter des US-Imperialismus"(5) oder - in Anspielung auf den Buchtitel Goldhagens - als "willige Vollstrecker Washingtons"(6) bezeichnet.

Für die extreme Rechte liegt die Verantwortung für diesen Krieg bei den USA; diese wollten auf dem Balkan einen ständigen Unruheherd schaffen, der Europa als ökonomisch, politisch und militärisch handlungsfähige Einheit schwäche und den USA als stärkste Militärmacht jederzeit Eingriffsmöglichkeiten biete. Außerdem würden die Flüchtlingsbewegungen die Volkswirtschaften der europäischen Staaten belasten und innenpolitische Auseinandersetzungen provozieren.(7)

Für die extreme Rechte haben die USA in Europa grundsätzlich nichts zu suchen. In einer Erklärung der "Europäischen Synergien"(8) - ein Zusammenschluß extrem rechter Theoretiker verschiedener europäischer Länder - wird "die Regierung der Vereinigten Staaten daran [erinnert], daß die Monroe-Doktrin in beiden Richtungen gelten muß: keine Intervention von europäischen Mächten in Amerika, keine amerikanische Intervention in Europa".(9) Konflikte und Kriege in Europa, so die Stellungnahme weiter, "sollten nur von den Mächten der Region geklärt werden, unterstützt von Rußland und einem neuen bismarckschen Deutschland". Hier scheint bereits die alte Idee des Deutschen Reiches hervor, das in Europa hegemonial ist. So erhofft sich die extreme Rechte denn ein "hoffentlich 'entamerikanisiertes' zukünftiges Europa", welches - wie Rußland, Indien und China als "weise alte Reiche" - den USA entgegentreten sollen. Wenn also die NPD und andere Gruppen in den 80er Jahren oder auch heute wieder mit der Forderung antreten, die "fremden Truppen" sollten aus Deutschland abgezogen werden, so ist dies einem antiamerikanischen und nationalistischen, keineswegs antimilitaristischen oder pazifistischem Verständnis geschuldet.

Es wäre freilich ein Irrtum anzunehmen, in der Abgrenzung - man muß wohl in vielen Fällen von Feindschaft sprechen - zu den USA bzw. zu Amerika ginge es nur um ökonomische und politische Dimensionen. Es sei - insbesondere seit der Auflösung der Sowjetunion und der DDR - Zeit, sich von den USA zu lösen, denn "eine organisch gewachsene Wertegemeinschaft zwischen Deutschen und Amerikanern gibt es nicht. Eine alte Hochkultur läßt sich nicht mit einer seelenlosen Plastik-Zivilisation vereinbaren."(10) Für die extreme Rechte ist die Frontstellung gegen die USA - ausgedrückt etwa in dem Wortpaar Kultur hier, Zivilisation dort - fundamental; Denn ihr gilt Amerika als Hort der Verwilderung, als negative Projektionsfläche: "Vereinfacht ausgedrückt, ist die Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft eine räumlich konzentrierte Vorwegnahme gesellschaftspolitischer Prozesse des Industriezeitalters, von denen die meisten je nach Verzögerung auf andere Weltregionen übergreifen."(11)

Völkischer Nationalismus statt allgemeiner Menschenrechte

Zu den hier angesprochenen gesellschaftspolitischen Entwicklungen gehören etwa Multikulturalität, Drogen und Individualisierung. Für die extreme Rechte einst und jetzt gelten die USA als Inbegriff des ‚Universalismus', der negativ als 'Gleichmacherei' verstanden und für gesellschaftliche Krisen und Problemlagen verantwortlich gemacht wird.

Die extreme Rechte lehnt universell gültige Werte, z.B. Menschenrechte und den Gleichheitsgedanken, ab. Ausgangspunkt ihrer Weltanschauung sind "Völker", "Rassen" und "Kulturen" - gedacht als homogene Entitäten. Diese hätten jeweils ihre eigenen Weltdeutungen, Denk- und Lebensweisen entwickelt, die sog. "nationale Identität". Dem entspreche ein Territorium oder Staatsgebiet, ein geographischer Raum, in dem alle "Volksangehörigen" leben sollten. Diese völkische Konstruktion, bei der das Volk alles, das davon unabhängige Individuum hingegen nichts ist, kommt so zur Deckung mit anderen Ideologemen der extremen Rechten, wie etwa der Idee der Geopolitik.(12)

War die Geopolitik für ihren maßgeblichen deutschen Vertreter der 30er und 40er Jahre, Karl Haushofer, "die Lehre von der Erdgebundenheit politischer Vorgänge", so stellen die "Europäischen Synergien" ein Arbeitsprogramm zur Entwicklung "geopolitischer Konzepte", wozu insbesondere eine "gründliche geschichtliche Studie, die die Europäer in Ost und West an den gemeinsamen Kampf gegen das Osmanische Reich erinnert", zu gehören habe. Der gemeinsame Kreuzzug französischer und deutscher Ritter symbolisiere den "Geist, den wir in Europa wiedererwecken wollen, ohne amerikanische Intervention."

Diese antiislamische und antitürkische Ausrichtung ist ein weiterer Schlüssel zum Verständnis der Ablehnung des NATO-Krieges: In etlichen Stellungnahmen wird befürchtet, daß der Krieg zu einer Ausbreitung des Islam und einer Vergrößerung des Einflußbereiches der Türkei führe. So hat der langjährige Bundesvorsitzende der REP, Franz Schönhuber, denn auch volles Verständnis für die "Serben": "Für die Serben ist der Kosovo eine Art Wiege des Volkes. [...] Hier erlitten die Serben im Jahre 1389 die größte Katastrophe ihrer Geschichte. Das serbische Heer wurde von den Türken vernichtend geschlagen, das Land unterworfen. [...] Der Haß gegen Muslime wird mit der Muttermilch getrunken. Er liegt im Blut." Aber, so beklagt sich der Autor, hiervon wolle die "heutige Journalisten- und Politikergeneration nichts mehr wissen", denn "völkische Befindlichkeiten werden als ewig-gestrig abqualifiziert."(13) Für die extreme Rechte hingegen ist der völkische Nationalismus der Schlüssel zur Erklärung von Krieg und Frieden; in diesem Sinne trügen die Siegermächte des Ersten und Zweiten Weltkrieges eine historische Verantwortung für die Entwicklung auf dem Balkan, da sie dort sog. "Vielvölkerstaaten" errichtet hätten. So heißt es in einer Erklärung des NPD-Kreisverbandes Nordmecklenburg: "So ist der Kosovo-Konflikt doch lediglich die Folge eines Mischvölkerstaates, welcher aus reiner Machtgier und ohne Anerkennung der kulturellen und religiösen Eigenarten der verschiedenen Völker geschaffen wurde."(14)

Umformulierung von Geschichte

In ihren Stellungnahmen nimmt die extreme Rechte zudem wiederholt historische Motive und Aspekte auf. Das ist nicht weiter verwunderlich, handelt es sich beim NATO-Krieg gegen Jugoslawien doch erstens um den ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten seit 1945, und findet dieser zweitens in einer Region statt, in der die Soldaten der Wehrmacht unzählige Kriegsverbrechen begangen haben.

Es sind vor allem zwei Themen mit deutlich historischem Bezug, die immer wieder herausgestellt werden:

Die extreme Rechte - aber auch der Bund der Vertriebenen mit seinem umfangreichen Organisationsgeflecht - sehen sich angesichts der Vertreibungen und der Flucht aus dem Kosovo dazu ermuntert, an die Situation nach Kriegsende 1945 zu erinnern. In der Einleitung zu dem bereits mehrfach angeführten Mai-Heft der Zeitschrift Nation + Europa heißt es: "Und die Kosovo-Albaner? Ihr Leid ist schlimm. Wer wüßte das besser als deutsche Vertriebene, deren Rechtsansprüche allerdings weder politisch noch militärisch durchgesetzt werden." Und mit deutlich geschichtsverfälschendem Akzent hält es der Ostdeutschen Arbeitskreis Hochtaunus für "absurd, gegen die ethnische Säuberung im Kosovo ausgerechnet in dem Augenblick einzuschreiten, da mit Polen und der Tschechischen Republik die beiden größten Vertreiberstaaten dieses Jahrhunderts feierlich in die NATO aufgenommen wurden."(15) Die der DVU nahestehenden Blätter klagen: "Schlimm ist aber auch, daß die unmenschliche Vertreibung von 15 Millionen Ost- und Sudetendeutschen (...) das 'Weltgewissen' bis heute nicht berührt."(16) Und der Chefredakteur der Jungen Freiheit fordert: "Es wäre an der Zeit, daß im Zuge des Kosovo-Krieges eine Aufarbeitung in Kino-Filmen, Wanderausstellungen, Kunst und Literatur neue Gestalt gewinnt."(17)

Die konkrete Situation der Flüchtlinge aus dem Kosovo ist der extremen Rechten im Grunde völlig egal. Wichtig ist ihr nur, daß diese Menschen nicht nach Deutschland kommen. Vor entsprechenden Wanderungsbewegungen wird denn auch gewarnt; in einer Pressemitteilung der REP heißt es scharf: "Wer kosovo-albanische Flüchtlinge fern von ihrer Heimat in Deutschland unterbringt, macht sich zum Komplizen der 'ethnischen Säuberung' durch die Serben."(18) Die Deutsche Wochen-Zeitung pflegt unter der Schlagzeile "Wie kriminell sind Kosovo-Albaner? Was viele in Deutschland treiben" das rassistische Vorurteil vom "kriminellen Ausländer."(19) Und natürlich darf auch das Schreckensbild der Gefährdung von 'Sicherheit und Ordnung' nicht fehlen: "Dieser multikulturelle Wirrwarr auf verhältnismäßig engem Raum läßt die Region immer wieder explodieren. Eine irrsinnige Bonner Einwanderungs- und Überfremdungspolitik aber führt dazu, daß sich die Bundesrepublik balkanesische Zustände ins eigene Land holt." Und schließlich seien die hier lebenden Menschen aus dem (früheren) Jugoslawien auch ein Sicherheitsrisiko: "Vom Kantinenwirt auf der Hardthöhe über den Meister im Kraftwerk bis hin zum Fließbandarbeiter in der Kriegsgeräteproduktion sind Serben an sicherheitsempfindlichen Stellen bei uns tätig."(20)

Scheinheilig wird dann gefragt, ob man "für den Wahnsinn plädieren (wolle), diese Menschen aus Sicherheitsgründen in Lagern zu internieren", aber die nahegelegte 'Lösung' ist zunächst einmal: "Ausländer raus".

Die Wehrmacht als Vorzeigearmee

Mit Blick auf das Morden der Wehrmacht auf dem Balkan versuchen sich insbesondere die Wochenzeitungen des DVU-Vorsitzenden Frey an einer Rehabilitierung der Wehrmacht. Da werden der Angriff und die Besetzung Jugoslawiens ebenso gerechtfertigt wie das verbrecherische Wirken des Generalobersten Alexander Löhr verharmlost, der später im Prozeß gegen die Südostgeneräle zum Tode verurteilt wurde.(21) Von der Wehrmacht wird auch bei dieser Gelegenheit ein Bild gezeichnet, das sie über die Bundeswehr hebt: In letzterer gebe es keine kritischen Stimmen zum Krieg gegen Jugoslawien mehr, während "in der Wehrmacht der freiere Ton herrschte."(22) Die in der Wehrmacht kämpfenden "Männer waren keine blutlosen Söldner im Dienste fremder Machtinteressen - sie kämpften und starben einzig im Glauben an ein neues, freies Deutschland."(23) Und bei dem Einsatz "haben die verantwortlichen Politiker nicht einmal dafür gesorgt, daß die Soldaten und Angehörigen im Verletzungs- oder Todesfall einigermaßen finanziell abgesichert sind. Verantwortungsloser hat sich keine deutsche Regierung gegenüber ihren Soldaten verhalten, seit einige korrupte Fürsten vor über zweihundert Jahren ihre eigenen Landeskinder als Kanonenfutter an fremde Mächte verkauften."(24)

Deshalb, so ein weiterer Autor in der Deutschen National-Zeitung, "haben Deutsche keinerlei Veranlassung, sich an der Disziplinierung dieses Produktes der Pariser Vororteverträge zu beteiligen (....), solange die heutigen 'deutschen' Politiker die Ehre der deutschen Soldaten zweier Weltkriege nicht wieder voll hergestellt haben."(25)

Profit aus dem grünen Kriegskurs

Die extreme Rechte bemüht sich derzeit darum, mit ihrer Anti-Kriegs-Demagogie möglichst viele derjenigen anzusprechen, die dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien aus dem einen oder anderen Grund ablehnend oder zumindest skeptisch gegenüberstehen. Dietmar-Dominik Hennig, einer der Regionalsprecher der Deutschlandbewegung, sieht "die deutsche Rechte (...) jetzt aufgefordert, die Katakomben zu verlassen und in die politische Arena zu treten mit einer einzigen Frage an jenes deutsche Volk, das in diesem Jahrhundert in zwei Weltkriegen genug Blutzoll zu entrichten hatte: 'Wollt ihr den totalen Friedenseinsatz?" Diese schwülstig-pathetische Sprache gipfelt in folgender Sequenz: "Die Friedensdividende ist das stärkste Pfund, mit dem die nationalen Kräfte derzeit wuchern können. Das gilt es, den Menschen klar zu machen: Deutsch wählen heißt Frieden wählen - Internationalismus ist Krieg!"(26)

Der Internationalismus und die Linke - in den Stellungnahmen der extremen Rechten sind damit vor allem SPD und Bündnis '90/Grüne gemeint - werden heftig attackiert. Insbesondere wird der Schwenk von Bündnis '90/Grüne auf den NATO-Kriegskurs höhnisch kommentiert. In einem "Die überflüssige Linke" betitelten Aufsatz heißt es: "Jahrzehntelang mimte die deutsche Linke den Gralshüter des Pazifismus, blockierten linke Aktivisten US-Kasernen, diffamierten Bundeswehrsoldaten als Mörder. [...] An Salonlinken wie Fischer und Schröder bewahrheitet sich eine alte Einsicht: Die größte Bedrohung für den Frieden sind die Weltverbesserer"(27) Denn - so an anderer Stelle: "Es sind nicht die alten Soldaten, es sind die ehemaligen Ostermarschierer, Kerzchenhalter, Friedenskämpfer und Wehrdienstverweigerer, die bedenkenlos unsere jungen Soldaten ins Feuer schicken wollen."(28) Ähnlich heißt es auch in den Zeitungen des DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey, daß die "linken 'Friedensapostel' von einst" - kaum seien sie an der Macht - "nicht die geringsten Skrupel [hätten] die Söhne anderer Leute zum Abschuß freizugeben." Bündnis '90/Grüne seien "mit Beginn der Bombardements auf dem Balkan - [...] - politisch überflüssig geworden [...] Warum der Wähler eine 'pazifistische' Partei, die ihren Pazifismus bei der erstbesten Gelegenheit an der NATO-Garderobe abgibt, künftig noch wählen soll, bleibt Fischers Geheimnis."(29) Wenn Franz Schönhuber schließlich fordert, der "Kampf gegen den Amerikanismus dürfe nicht allein der PDS überlassen bleiben"(30) - so stellt dies auch den Versuch dar, national und/oder antiamerikanisch eingestellte Teile der Friedensbewegung anzusprechen und stärker in den Einflußbereich der extremen Rechten zu ziehen. Eine solche Querfronttaktik, die an einzelnen Themen und Auseinandersetzungen Bündnisse der extremen Rechten mit demjenigen Spektrum sucht, was gemeinhin als links etikettiert wird, dient insbesondere dazu, die Stigmatisierung und Ausgrenzung extrem rechter Organisationen und Personen aufzulösen.(31)

Rechter Widerspruch

Markieren die bisher skizzierten Positionen den hegemonialen Diskurs in der extremen Rechten, so finden sich vereinzelt auch hiervon abweichende Stellungnahmen. In einem empörten Leserbrief an die bereits erwähnte neofaschistische Zeitschrift Nation + Europa schreibt etwa der frühere NPD-Bundesvorsitzende Günter Deckert: "Wir waren und sind noch immer (zahlende) Opfer des Bosniaken-Konflikts. Auslöser: die Jugo-Serben. [...] Ich denke und dachte, auch die Zeitschrift 'Nation & Europa' vertrete den Grundsatz des (völkischen) Nationalismus. Und als deutscher Nationalist kann man nun mal nicht auf der Seite der serbischen Mordbrenner und Vertreiber stehen, ..."(32) Die Wochenzeitung Junge Freiheit gibt Raum für den der FPÖ nahestehenden Prof. Dr. Lothar Höbelt und seine pragmatische Sichtweise: "Als imperiales System, das deutschen Interessen am meisten Durchsetzungschancen ermöglicht, erscheint mir die NATO unter allen realistischen Varianten da augenblicklich ziemlich konkurrenzlos." Außerdem sei es zu begrüßen, "wenn dieselben Leute, die den gebürtigen Österreicher Generaloberst Löhr wegen seines Luftangriffs auf Belgrad ohne Kriegserklärung 1941 als Kriegsverbrecher zu bezeichnen gewohnt sind, heute von den Deutschen händeringend ein Da Capo einfordern." Und schließlich sei "nicht einzusehen, warum gerade traditionsbewußte Deutsche ihren Widerspruch anmelden sollten, wenn 'der Westen' spät, aber doch darangeht, auf dem Balkan seine Fehler von 1918 und 1945 zu korrigieren. Von Nationalbewußten kann man doch zumindest erwarten, daß sie sich an Völkern (in diesem Fall den Albanern) und nicht an den Staaten (wie Jugoslawien) orientieren."(33) Ähnlich sieht diesen letzten Punkt Manfred Rouhs, der Herausgeber der Quartalszeitschrift SIGNAL: "In der Auseinandersetzung mit Serbien sind die Albaner im Recht. Die Befreiungsnationalisten der UCK fordern die Vereinigung ihrer Heimat mit dem albanischen Mutterland, die ihnen Milosevic verweigert." Und der Krieg habe "auch noch in anderer Hinsicht sein Gutes." Er stärke "das Selbstbewußtsein der Deutschen", denn "deutsche Soldaten stehen im Krieg, und sie sind erfolgreich. Und sie haben Rückhalt in der Bevölkerung, sogar bei den Grünen. Das schafft eine neue Lage. Auch über solche Kollektiverfahrungen werden sich die Deutschen Schritt für Schritt zu einer normalen Nation entwickeln, die Neurose von 1945 endgültig überwinden, bis sie Vorreiter eines neuen europäischen Selbstbewußtseins sind."(34)

Geopolitische Positionsbestimmung

Auch hier ist also - wenn auch über einen anderen Begründungszusammenhang - die Zielsetzung einer Europa dominierenden Großmacht Deutschland formuliert. Insofern ist der Gegensatz zwischen den hier dargestellten Positionen nicht so umfassend, wie es zunächst erscheinen mag. Zwar existieren bezüglich der unmittelbaren Beurteilung der UCK bzw. 'Serbiens' deutliche Differenzen, zugleich gibt es aber in der Forderung nach einem 'Ende der Westorientierung', einer 'Nationalisierung' der Bundeswehr und der Zurückweisung bzw. raschen Ausweisung von Flüchtlingen große Gemeinsamkeiten. Franz Schönhuber sieht für die extreme Rechte "ungeahnte Chancen", wenn "die Patrioten ihre Forderungen auch auf die Straße tragen."(35) Ein zentrales Ziel solcher Aktivitäten der extremen Rechten ist der Versuch einer weiteren Rehabilitierung des völkischen Nationalismus: "Wir müssen das nationale Prinzip als ein Prinzip des Friedens ins Bewußtsein der Bevölkerung bringen."(36) Für geopolitische Konzepte, die über entsprechende Parolen hinausweisen und die zur Einmischung in die nun allerorten geführte Diskussion um die 'Stärkung des europäischen NATO-Flügels' bzw. den Aufbau 'europäischer Streitkräfte' taugen, will die extreme Rechte sorgen. Die Junge Freiheit jedenfalls hat ihre Spalten für die entsprechende Debatte geöffnet.

Anmerkungen:  
(1) Deutsche Wochen-Zeitung 14/99 vom 2. April 1999, S.1
 
(2) Die Deutschland-Bewegung (DB) um Alfred Mechtersheimer ist eng verbunden mit dem Friedenskomitee 2000 und sieht sich - neben einer bei Wahlen erfolgreichen Partei der extremen Rechten - als die "andere Säule" des "patriotischen Projektes". Die DB teilt die Ideologie der extremen Rechten; Mechtersheimer betätigte sich in den letzten Jahren häufig als Redner bei extrem rechten Parteien und Organisationen (z.B. REP, DSU, BFB, JLO).
 
(3)
www.npd.net/npd-pv/mitteil/index.htm  
(4) Nation+Europa 5/99, S. 30
 
(5)
www.npd.net/npd-pv/mitteil/index.htm  
(6) Nation+Europa 5/99, S. 7
 
(7) Nation+Europa 6/99, S. 5 ff.; Der Republikaner 4-5/1999, S. 5; Deutsche National-Zeitung 17/99 vom 23. April 1999, S. 4
 
(8) Das Intellektuellennetzwerk 'Synergies Européennes' (SE) entstand 1993 um Robert Steuckers, um - im Unterschied zu Alain de Benoist - die theoretische Debatte um realpolitische Handlungsoptionen zu erweitern. In der Bundesrepublik wurde eine entsprechende Sektion 1995 gegründet.
 
(9) DESG-inform 2-4/99, S. 1 (DESG = Deutsch-Europäische Studiengesellschaft)
 
(10) Nation+Europa 3-4/1990, S. 28
 
(11) Nation+Europa 10/1988, S. 13
 
(12) Diese ist in Deutschland ursprünglich von Friedrich Ratzel (1844-1904), Rudolf Kjellén (1864-1922) und - am bekanntesten - von dem völkischen Staatstheoretiker Karl Haushofer (1869-1946) entwickelt worden. Auch die Nazis haben sie als Legitimation für ihre Kriege zu nutzen gewußt.
 
(13) Deutsche National-Zeitung 10/99, S. 6
 
(14)
http://parteien.freepage.de/cgi-bin/feets.../923334x204A/rewrite/npd-nwm/LV-04-99.htm  
(15) Nation+Europa 5/99, S. 4 bzw. S. 22
 
(16) Deutsche Wochen-Zeitung 16/99, S. 3
 
(17) Junge Freiheit 18/99, S. 2
 
(18) REP-Pressemitteilung 30/99 vom 9. April 1999
 
(19) Deutsche Wochen-Zeitung 16/99, S. 1
 
(20) Deutsche Wochen-Zeitung 10/99, S. 1
 
(21) Deutsche Wochen-Zeitung 17/99, S. 6
 
(22) Nation+Europa 5/99, S. 31
 
(23) Pressemitteilung des Aktionsbüro Norddeutschland vom 9.4.1999 -
www.widerstand.com/perspektive/inf_feb99.html  
(24)
www.npd.net/npd-pv/presse/krieg.htm  
(25) Deutsche National-Zeitung 17/99, S. 9
 
(26) Nation+Europa 5/99, S. 69
 
(27) ebd., S. 5 bzw. S. 8
 
(28) ebd., S. 29
 
(29) Deutsche Wochen-Zeitung 17/99, S. 5 bzw. S. 7
 
(30) Nation+Europa 5/99, S. 30
 
(31) Entsprechend verfährt in Frankreich anläßlich dieses Krieges die Nouvelle Droite, die sog. Neue Rechte, mit einer Petition "Non à la guerre". Bekanntester Vertreter der Nouvelle Droite ist Alain de Benoist, der auch häufig in Publikationen der extremen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland schreibt, u.a. in der Jungen Freiheit. Die von diesem Kreis verfaßte Petition wird vor allem bei Demonstrationen gegen die NATO-Angriffe verteilt. Sie enthält scharfe Angriffe auf die USA, nicht aber auf deren europäische Verbündete, die - wie im Fall Deutschlands - erheblich zur Eskalation auf dem Balkan beigetragen haben. Als Interesse der USA an diesem Krieg wird angeführt, dieser solle den Graben zwischen dem westlich-abendländischen Europa und der slawisch-orthodoxen Welt vertiefen, um die Westeuropäer davon zu überzeugen, daß es für sie bei einer engen Kooperation mit den USA bleiben muß. Zu den Unterzeichnern zählten auch Jean-Francois Kahn, Chef der Zeitschrift Marianne, und der Armenpriester Abbé Pierre, eine Gallionsfigur diverser sozialer Initiativen. Nachdem sie erfahren hatten, wer den Aufruf initiiert hatte, zogen sie ihre Unterschrift wieder zurück. Vgl.: Jungle World 18/99, S. 27
 
(32) ebd., S. 70
 
(33) Junge Freiheit 17/99, S. 2
 
(34)
http://signal-online.de/politik_aktuell.htm  
(35) Nation+Europa 6/99, S. 18
 
(36) Interview mit Alfred Mechtersheimer in der April-Ausgabe der österreichischen Zeitschrift AULA

Literaturhinweise

               *Jean Cremet/Felix Krebs/Andreas Speit: Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der 'Neuen Rechten' - Ein Zwischenbericht. Münster: Unrast 1999
               *Margret Jäger/Siegfried Jäger: Gefährliche Erbschaften. Die schleichende Restauration rechten Denkens. Berlin: Aufbau Verlag 1999
               *Iris Weber: Nation, Staat und Elite. Die Ideologie der Neuen Rechten. Köln: PapyRossa 1997
               *Uwe Worm: Die Neue Rechte in der Bundesrepublik. Programmatik, Ideologie und Presse. Köln: PapyRossa 1995

 
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