|
|
Um Kriege zu führen braucht es - neben Menschenverachtung und Skrupellosigkeit - vor allem eines: Geld. Auch aus der Luft geführte Kriege bedeuten immense Materialkosten: Flugzeuge, Bomben, Piloten, Versorgungscrews am Boden und alles, was moderne Streitkräfte zusätzlich an Logistik brauchen, um gegnerische Ziele aus der Luft zu bekämpfen, verschlingt täglich riesige Geldbeträge. Nach einer Berechnung des Center for Strategic & Budgetary Assessment (CSBA) liegen die gesamten militärischen Kosten der Operation "Allied Force" zwischen 6 und 10 Mrd. DM - die humanitäre Hilfe nicht eingerechnet.(1) Eine Bundeswehrstudie schätzt den militärischen Preis des Kriegs mit 11 Mrd. DM etwas höher ein.(2) Damit verursachte die NATO während der Luftangriffe laufende Kosten von ca. 55 Mio. US-Dollar pro Tag. Die militärischen Kosten sind jedoch längst nicht alle Kosten des NATO-Einsatzes im Kosovo.
Olivier Minkwitz
Die gesamten sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Kosten und Schäden des Krieges werden um ein Vielfaches höher liegen als die rein militärischen Kosten des Einsatzes. Im Vergleich zum Golfkrieg (ca. 204 Mrd. DM) jedoch, dessen finanzielle Auswirkungen sich in jeder Außenhandelsbilanzstatistik zeigten, werden sich die Kosten des 10 Wochen langen Bombardements in den Haushalten der NATO-Länder kaum bemerkbar machen. Trotzdem versucht die Bundeswehr nun ihr Budget mit Mitteln aus dem Etat der allgemeinen Finanzverwaltung (Einzelplan 60) statt aus dem Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14) aufzustocken und Gelder für die Modernisierung der Streitkräfte locker zu machen. Dabei beruft sie sich auf die Kosten und den "Erfolg" des Krieges. Der Kosovo-Einsatz der Bundeswehr wird in Zukunft in keiner Beschaffungsbegründung aus der Hardthöhe fehlen. Mehrheitlich beschloß der Haushaltsausschuß, die Ausgaben für Auslandseinsätze aus dem Etat des Finanzministeriums von 441 auf 741 Mio. DM zu erhöhen.(3) Der Verteidigungsetat bleibt deshalb dieses Jahr erst einmal unverändert. Daß es dabei nicht bleiben wird, läßt sich an den Kostenprognosen für das Peacekeeping "Joint Guardian" ablesen. Die jährlichen Kosten, um den Kosovo militärisch zu befrieden und die Truppen zu stationieren, die (im Falle der BRD) vierteljährlich ausgewechselt werden, könnten nach vorsichtigen Schätzungen insgesamt noch einmal zwischen 6 und 10 Mrd. DM ausmachen. SFOR und KFOR werden die Bundeswehr dann dieses Jahr 1 Mrd. DM und im nächsten 2 Mrd. DM kosten unter der Annahme, daß Nachbeschaffungen auf die nächsten Haushaltsjahre aufgeschoben werden. Sollen diese Zahlen zutreffen oder das Peacekeeping etwas teurer werden, dann könnte es eng für den Finanzminister Eichel werden. Die Haushaltsexperten gingen bei der Bereitstellung der zusätzlichen Mittel von der optimistischen Annahme aus, daß die Steuereinnahmen im nächsten Jahr steigen werden und so die zusätzlichen Kosten aufgefangen werden könnten.(4) Kurzfristig werden die NATO-Kosten keinen Nachtragshaushalt erforderlich machen. Geklärt ist damit jedoch nicht die Finanzierung der langfristigen Kosten des Wiederaufbaus, die verteilt über mehrere Jahre alleine auf ca. 80 Mrd. DM geschätzt werden.(5) Der Anteil Deutschlands an den Gesamtkosten, von den militärischen bis hin zu den Aufbaukosten, führt nach der Bundeswehrstudie zu einem langfristigen Finanzbedarf von ca. 13 Mrd. DM.(6)
Hinter diesen Zahlen stehen noch viele Fragezeichen, da fast alle Angaben unterschiedlich interpretiert werden können. So ist der wirtschaftliche Schaden, zum Beispiel Verluste durch ausgefallenen Handel in Jugoslawien und den Anrainerstaaten kaum zu berechnen. Die Summe der Zerstörungen und materiellen Wertverluste durch die Luftangriffe und Vertreibungen soll sich nach einer groben Schätzung der Bundeswehr auf 30 Mrd. DM summieren.(9) Ebenso ist fraglich, ob der politische Wille vorhanden ist, diese Region wieder aufzubauen. Bosnien erhielt im Vergleich zu der jetzt benötigten Summe zum Wiederaufbau zwischen 1996-1999 gerade mal 10 Mrd. DM.
Die Zahlen der wirtschaftlichen und sozialen Kosten sind mit äußerster Vorsicht zu genießen, da sich hier zu viele Unsicherheiten in der Rechnung verbergen. So werden in der Bundeswehrstudie die Kosten der jugoslawischen Kriegführung (Logistik, Munition, Treibstoff etc..) und der Wert des zerstörten militärischen Großgerätes der jugoslawischen Armee (Panzer, Artillerie, Flugabwehrbatterien etc.) auf ca. 2 Mrd. DM beziffert. Noch ist aber unklar, wie viele militärische Ziele die NATO wirklich zerstörte. Nach einem Artikel der Times wurden im Kosovo, trotz der verwendeten Präzisionsmunition, erst 13 ausgebrannte T55 Panzer entdeckt, während die NATO über 200 Panzer und 400 gepanzerte Fahrzeuge zählte, die von den Serben aus dem Kosovo abgezogen wurden.(10)
Ebenso sind die ökologischen Kosten, die durch den Krieg entstanden sind, nicht präzise zu erfassen. In eine ökologische Bilanz des Krieges müßten sämtliche Kosten, angefangen von den Abgasen der Kampfflugzeuge, Fahrzeuge und Schiffe(11), die ökologischen Kosten der in der Adria abgeworfenen Bomben und die der Verstrahlung durch die Uranmunition der A-10 Thunderboldts Eingang finden. Nach Angaben der Donau-Kommission und der UNO fand dagegen keine erhöhte Verschmutzung der Donau während des Krieges statt.(12)
Ohne die militärischen Kosten der NATO (11 Mrd. DM), der humanitären Hilfe (13 Mrd. DM) und ohne die zu erwartenden Peacekeeping-Kosten von jährlich bis zu 10 Mrd. DM liegt die Summe der nichtmilitärischen Kosten in Jugoslawien bei etwa 65 Mrd. DM. Aufgrund des Wiederaufbaus dürften diese langfristigen Kosten noch darüber liegen.
Schäden durch NATO-Angriffe in Jugoslawien
Kriegszerstörung in Jugoslawien 26 Mrd. DM Volkswirtschaftliche Kosten 4 Mrd. DM Militärische Kosten Jugoslawiens 2 Mrd. DM Kosten des Wiederaufbaus 35 - 80 Mrd. DM Quellen: Kostenstudie der Bundeswehr, siehe Anm. 2; dpa, 3.6.1999.
Die militärischen Kosten setzen sich zusammen aus dem Munitionseinsatz, dem Einsatz des militärischen Gerätes, dem Verlust an militärischem Gerät und aus sonstigen Kosten, wie z.B. Satellitenaufklärung und -kommunikationsleitungen, zusätzlichem Personal in den Kommandozentralen der NATO und aus der Verlegung der Truppen nach Italien, Mazedonien und Albanien.
Die Stationierung von 24 Apache-Kampfhubschraubern, 18 Raketenwerfersystemen MRLS, die Verlegung von 8000 Soldaten der US-Armee nach Albanien und die Einberufung von 5000 Reservisten hat 600 Mio. DM gekostet.(20)
Die Bundeswehr setzte ihre 18 Aufklärungsdrohnen CL 289 von Mazedonien aus ein, wozu 350 Mann inklusive Bewachungspersonal nötig waren.(21) Mindestens vier der Drohnen (Stückpreis 2,5 Mio. DM) wurden von der jugoslawischen Armee abgeschossen oder sind verloren gegangen.
Wichtiger noch als die Aufzählung der Kosten der einzelnen Waffentypen ist die Tatsache, daß der durch den Kosovo-Krieg erhöhte Verschleiß des militärischen Gerätes nicht bilanziert wird. So erhöht die NATO im Kriegsfalle das "Operational Tempo". Gemeint sind damit kürzere Zeitabstände zwischen den technischen Wartungen sowie die sinkende "Lebenserwartung" der Waffen.(22) Dies wird nach dem Krieg zu neuen Rüstungsbeschaffungen führen. Zwar werden in der nächsten Haushaltsrunde nicht die alten Systeme oder dieselben Munitionstypen beschafft, denn das verwendete Gerät ist meistens veraltet. Statt dessen wird in neue high-tech Munition und Waffen investiert werden.
Durchschnittliche Kosten einzelner Munitionstypen und einzelne Stückpreise (Auswahl)
Lasergelenkte GBU-Bomben 13 000 bis 40 000 DM GBU-24 13 000 DM GBU-16 320 000 DM Ungelenkte MK-Fallbomben 1 000 bis 4000 DM M-117 540 DM MK-84HD 6 000 DM Streubomben (Cluster) 5 000 bis 30 000 DM CBU-52 5 000 DM CBU-78 85 000 DM andere JDAM (satellitengesteuert) 45 000 DM HARM (Anti-Radarrakete) 680 000 DM
US Kosten für Peacekeeping im Vergleich
Bosnien (1992-99) 19 Mrd. DM Irak (1991-99) 14 Mrd. DM Haiti (1992-95) 2 Mrd. DM Somalia (1992-96) 3 Mrd. DM andere (1991-99) 4 Mrd. DM Quelle: CSBA: Potential Cost of U.S. Peacekeeping Operations In Kosovo, 22.3.1999.
Anmerkungen:
(1) Center for Strategic and Budgetary Assessment: Total Cost of Allied Force Air Campaign: A Preliminary Estimate, 10.6.1999, S. 1.
(2) Bundeswehrhochschule München: Kosten des Kosovo-Krieges - Teilstudie A: Die Kostenentwicklungen und Kostenprognosen, 15.6.1999, S. 4.
(3) Blickpunkt Bundestag, 4/99, S.39.
(4) Ebenda.
(5) Bundeswehrstudie, vgl. Anm. 2.
(6) Ebenda, Teil C.
(7) Vgl. dazu den Beitrag von Krusewitz in diesem Heft.
(8) SZ, 11.6.1999; dpa, 3.6.1999.
(9) Ökonomische Kosten durch Kriegszerstörungen (13 Mrd. DM), Vertreibung (13 Mrd. DM) und andere Ursachen (4 Mrd. DM).
(10) The Times (UK), 24.6.1999.
(11) Ein Tornado z.B. bläst bei Vollastbetrieb ca. 6 kg CO und 16 kg Stickoxide in die Luft und verbraucht 2500 kg Kerosin in der Stunde.
(12) Environmental News Service (Wien), 19.5.1999 (http://ens.lycos.com/ens/may99/1999L-05-19-05.html).
(13) Dennoch lassen sich mit Hilfe des Golfkriegs als Referenzmodell (70000 Flugeinsätze - Kosovo: ca. 35000) und mit einer induktiven Abschätzung, bei der die Kosten der verwendeten Munition, Betriebskosten der Kampfflugzeugen, Anzahl und Typen der Flugzeuge und andere Ausgaben hochgerechnet werden, die Gesamtkosten der Allianz veranschlagen.
(14) Die anderen am Kosovo-Krieg beteiligten Länder waren Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Italien, Portugal und Spanien.
(15) Karadi, Matthias Z. Die Kosten und Folgekosten des Kosovo-Krieges. In: W&F 2/1999, S. 15.
(16) Ebenda.
(17) Vgl. CSBA, siehe Anm. 1.
(18) Bundeswehrstudie, vgl. Anm. 2; Die Zeit, 22.6.1999.
(19) Aviation Week & Space Technology, 26.4.1999.
(20) Vgl. CSBA, siehe Anm. 1.
(21) Österreichische Militärzeitschrift, 1/1999, S. 84.
(22) Vgl. CSBA, siehe Anm. 1.
(23) Stückpreis ohne Bewaffnung, moderne Kampfelektronik oder Kampfwertsteigerungen: 100 Mio. DM. Im Gegensatz zu Presseberichten ist der F-117 keine unsichtbare Wunderwaffe, sondern besteht im Gegensatz zum B2- Bomber aus älterer Stealthtechnologie.
(24) FR, 14.6.99